Das blaue Jahr ~ 2016

Ich sitze nicht mehr an dem Ort, an dem ich vor einem Jahr saß. Ich schaue nicht mehr auf die Häuserwand, auf die ich noch vor einem Jahr geschaut habe. Vor genau 364 Tagen habe ich diesen Eintrag geschrieben. Das Jahr begann mit einem sehr eigentümlichen Morgen. Er war einfach blau. Ein blauer Morgen. So etwas sieht man selten. Aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau ob das Jahr wirklich blau war. Das Jahr 2016 war anstrengen und hielt viele traurige Ereignisse bereit, die sich langsam in die meine Blutbahnen fraßen und mich komplett auseinander nahmen.

Der Januar war noch relativ "normal" Uni, Leben und so weiter. Im Februar begann mein Körper mir zu erklären, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Es ist faszinierend was uns unser Körper alles sagen kann und wir ihn einfach nicht hören. Meiner schnürrte mir einfach den Hals zu. Mit jeder meiner fünf Prüfungsleistungen wurde es schlimmer. Ich konnte nicht mehr Essen, nicht mehr Schlafen, nicht mehr Atmen. Ab zum Arzt, der nichts finden konnte. Ende März, saß ich dann komplett zusammengesunken in einem Behandlungszimmer. Die physischen Ursachen waren alle ausgeschlossen. Mein Unterbewusstsein hatte nun endgültig einen Mitstreiter gefunden. Nach Jahren der Quälerei hatte mein Köper nun auch genug von meinem Bewusst sein.

Nach diesem Arztbesuch verschwimmen bei mir die Tage. Ich habe kaum noch eine Reihenfolge oder einen konkreten Zeitpunkt. Feste Punkte bilden nur Hilfeschreie meinerseits, der Tod eines für mich fast fremden, den ich aber meinen besten Freund zu verdanken habe, eine Flucht, ein Umzug. Irgendwie landete ich erst auf einen sehr gemütlichen Dachboden, dann in einem Bett in einer psychosomatischen Klinik. Hier lichtet sich der Nabel wieder etwas. Gespräche mit Freunden kommen ins Gedächtnis. Neue Bekanntschaften wirbeln den Nebel ein wenig weg. Und wieder traurige Ereignisse die die Wegmarken setzen. Dabei lagen die auch schon einige Tage zurück.
Zurück auf meinem Dachboden erinnere ich mich an einen Morgen, keine Ahnung, fragt mich nicht, die Sonne hat geschienen. Da ruft mein Vater mich. Eine neue Wohnung auf der Website. Angerufen. Nochmal. Und ein verwirrter Einkauf bei Aldi. Am nächsten Tag schon eine Besichtigung ausgemacht. War es der nächste Tag?
Ich erinnere mich nicht an die Treppe, nur an die Klingel. Dann das freundliche Gesicht auf der anderen Seite der Schwelle. Mein Vater redet mehr als ich. Ich wusste schon beim Betreten der Wohnung: Hier möchte ich wohnen. Das fühlt sich gut an.
Ein kleines bisschen Ich ist in den verwirrten Augen meiner Gegenüber zu erkennen. Eine Zusage nach fünf Minuten. Ohne drüber schlafen. Das ist etwas was mich aus macht.
Im September, das weiß ich, dann ein neuer Umzug. Ein paar Tage meinen besten Freund bei mir. Die Wohnung fühlt sich immer noch gut an. Besuch von einer guten Freundin. Niemanden hätte ich lieber in der unfertigen Wohnung gehabt.
Immer mal wieder zehn Minuten in die eine oder in die andere Richtung pilgern. Es ist einige Jahre her, dass ich so viel Auswahl an lieben Menschen in meiner begehbaren Umgebung hatte. Noch nie habe ich mit meinen Eltern in der selben Stadt, aber nicht im selben Haus gewohnt. Jetzt verstehe ich, welch ein Vorteil sich dahinter verbirgt. Das genieße ich.

Der Oktober holt mich nochmal in die Käseglocke Klinik. Ist in Ordnung. Ist okay. Ich finde langsam zurück aus meinem Nebel. Ich erkenne Liebemenschen wieder, kann auch schöne Stunden in dieser seltsamen Umgebung erleben und habe wieder die beste Zimmergenossin, die man sich wünschen kann. Die Wochen stolpern so vor sich hin und dann werde ich wieder ausgewildert. Kontakte nehme ich mit. Und ein paar mehr Stücke Ich, die noch lustig in meiner Tasche herumklimpern. Die muss ich wohl erstmal noch sortieren. Der November huscht so durch. Erstmal wieder eingewöhnen, was ist echt, was ist Täuschung und wo bin ich hier überhaupt?

Viele Morgene beginnen nicht nur mit Kaffee sondern auch mit langen Betrachtungen meiner neuen kleinen Heimat. Hier hätte ich nie geplant hinzuziehen.
Schmerzen, die mir klar machen, dass ich immer noch nicht besser mit mir selbst umgegangen bin. Im Dezember fange ich langsam an zu begreifen. Vielleicht kann ich bald mit dem Sortieren beginnen.

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch und ein wunderbaren Start ins Jahr 2017. 2016 war für viele die ich kenne verrückt und traurig, vielleicht auch zerstörerisch.

Wie bei euch gab es aber auch bei mir schöne Stunden. Das habe ich vor allem meinen Lieblingsmenschen und Mitinsassen zu verdanken. Besonderen Dank geht an meine Eltern. Alles was sie für mich dieses Jahr getan haben kann ich nicht zusammenfassen und erst recht nicht die Dankbarkeit dafür. Ich weiß nicht, wie ich ihnen je meine Dankbarkeit ausdrücken kann. Und natürlich Herrn B., Frau P. und meinem Lieblingseinhorn im männlichen Kosmos.

Haut rein Leute!



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