Verwirrende Freiheit


Ich bin ein Mensch, der seine Freiheit liebt. So sehr liebe ich sie, dass ich mich schon mit der aller kleinsten Abhängigkeit erstmal Arrangieren muss. Dazu gehören aus so Dinge wie Arbeitszeiten, Termine, Essenszeiten und Beziehungen. Aber ich muss mich ja gar nicht arrangieren. Heute müssen wir uns nicht mehr uns in unserer Freiheit einschränken lassen. Obwohl es auch hier natürlich Einschränkungen gibt, die einfach moralisch Notwendig sind, damit wir als Gesellschaft zusammen leben können. 
Auch wenn es immer noch Baustellen gibt, um alle Menschen die selben Möglichkeiten in ALLEN Belangen haben, haben wir so viel Wahlfreiheit, wie es sich einige Generationen vor uns noch keiner vorstellen konnte. 

Aber aufgrund dieser Freiheit, die die Gesellschaft sich erkämpft hat, beschleicht mich oft das Gefühl, dass viele aus meiner und aus den danach kommenden Generationen an Orientierungsproblemen leiden. 
Brechen wir das mal auf unsern allgegenwärtigen Konsum hinunter, weil mich das sowieso im Moment sehr beschäftigt. Also wenn unsere Oma damals unserm Papa oder unserer Mama gezeigt hat, wie viel Waschmittel so eine Maschine Wäsche gehört, dann nahmen sie das Waschmittel, dass sie schon seit Jahrzehnten kannten. Den Geruch kannten unsere Eltern bestimmt schon seid ihrer Kindheit.  Und heute? Heute stehen wir vor so einem großen Regal von Waschmittel, dass wir selbst an der Marke kein Waschmittel mehr erkennen können, weil es auch von dieser zwanzig verschiedene Versionen gibt. 

Ebenso mit der Berufswahl: Opa war Schlosser, Papa ist Schlosser, der Kurt wird auch Schlosser.  ;) Glasklar. In der Generation unserer Eltern gab es auch noch die Traditionen und bei weiten noch nicht die Möglichkeiten, die wir haben. Ich sollte mal einen Hauptschulabschluss machen, heute studiere ich für meinen Master und das über den zweiten Bildungsweg und trotz diverser Stimmen, die das nicht für Möglich hielten. Aber die Freiheit es doch zu versuchen und über meine eigenen Grenzen hinaus zu wachsen, die hab ich mir genommen. 

Ich erinnere mich aber noch sehr gut, als es bei uns in der achten und neunten Klasse losging mit der Berufsberatung. Davor hatten wir schon ein Berufspraktikum und es folgte noch eins. Damals wollte ich Fotografin werden. Bis mir der Berufsberater jeden Mut nahm und sagte, da würde ich nie eine Ausbildungsstelle finden. Damit war ich dann wieder völlig orientierungslos mit meinem schweren Verzeichnis voll von Ausbildungsberufen, die mir zum teil gar nichts sagten. Im Endeffekt habe ich denn auf meinen Vater gehört. Immerhin in dieser Phase gar nicht so zwanghaft, wie es vielleicht früher war, denn mit fünfzehn ist man sehr schnell von Beratern und Lehrern verwirrt. Und auch wenn es wunderbar ist, wir können heute alles werden was wir wollen, wenn wir wissen was wir wollen. Ich glaube hier liegt das Problem. Alle zeigen uns was wir alles könnten, eine riesige graue Masse und wir sollen uns in Windeseile entscheiden, was es denn sein soll. 

Da ist dann doch eine Überforderung vorprogrammiert. Egal ob nun Waschmittel oder Lebensentscheidung. Also nehmen wir das erstbeste oder halt gar nichts. Wenn wir uns zuviel Zeit lassen, werden wir gedrängt. Heute hat man keine Zeit mehr, obwohl das nicht stimmt, denn eigentlich haben wir auch immer mehr Freiheiten in der Verwaltung unserer Zeit. Zeit ist vielleicht Geld, aber das heißt nicht  dass wir schnell schnell machen müssen. Das müssen wir uns wirklich nicht einreden lassen, wenn es um unsere Zukunft geht. Es gab früher vielleicht für die gesamte Menschheit viel mehr zu entdecken, aber nun können wir selbst herausfinden, was wir in dieser erforschten Welt tun wollen. Und dafür haben wir auch die Freiheit unsere Scheuklappen selbst zu justieren. 


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